Mann steht auf Leiter vor einem Regal mit religiösen Skulpturen Mann steht auf Leiter vor einem Regal mit religiösen Skulpturen Mann steht auf Leiter vor einem Regal mit religiösen Skulpturen

Täglicher Einsatz für mehr Nachhaltigkeit

Publiziert
November 2022
Themen
Fokus 02/2022 Fokus-Story

Während die Max Felchlin AG eine Krankenversicherung für ihre Kakaolieferanten abschliesst, beteiligt Trinova Mitarbeitende am Unternehmen. Und im Kloster Einsiedeln kümmern sich die Mönche gar schon seit über tausend Jahren um die Umwelt. Drei Schwyzer Organisationen erzählen, wie sie Nachhaltigkeit leben – sozial, wirtschaftlich und ökologisch.

 

Wer die Schokoladenmanufaktur der Max Felchlin AG in Ibach besucht, wird nicht enttäuscht. Das Fest der Sinne beginnt, bevor man einen Fuss in das imposante Firmengebäude gesetzt hat. Schon auf dem Parkplatz steigt einem ein feiner Schokoladenduft in die Nase, der Lust auf mehr macht. Auf mehr Schoggi natürlich, aber auch darauf, mehr über diesen Schwyzer Traditionsbetrieb mit seiner über 110-jährigen Geschichte zu erfahren.

Wenige Schritte später werden wir in der mächtigen Empfangshalle des 2019 eröffneten Neubaus von Moritz Runge begrüsst. Im Gespräch mit dem Leiter Einkauf, Finanzen und IT der Max Felchlin AG wird schnell klar: Für den 36-Jährigen ist Schokolade nicht irgendein Produkt, sondern eine Passion. «Ich habe im wahrsten Sinne des Wortes einen ‹Schoggijob› – und ich liebe jeden Aspekt davon», sagt Runge. Das liege insbesondere an der Philosophie, die das Unternehmen lebe. Eine Philosophie, die im vergangenen Jahrhundert von Max Felchlin niedergeschrieben wurde und bis heute gilt. Hinter Runges Arbeitsplatz im zweiten Stock hängt eine Kopie davon. In Schreibmaschinenbuchstaben heisst es dort unter anderem: «Unsere Dienstleistung erstreckt sich (…) auf alle andern Menschen, mit denen wir in Berührung kommen. Ganz besonders unseren Mitarbeitern wollen wir einen angenehmen Arbeitsplatz sichern. Dazu kommen Lieferanten, Banken, Handwerker, Benachteiligte – kurz die ganze Umwelt, in der wir leben.»

Moritz Runge, Einkaufsleiter bei Max Felchlin AG, vor einer modernen Regalwand

Die beste Schokolade der Welt

«Beständigkeit ist seit jeher ein zentraler Wert von Felchlin», sagt Runge. Das zeigt sich auch in der Zusammenarbeit mit den Kakaolieferanten. Die meisten davon kennen Runge und sein Team persönlich. «Fairness und eine Partnerschaft auf Augenhöhe sind die Basis für die Langfristigkeit und übrigens auch für die Qualität unserer Schokolade. » Und Letztere bietet die Max Felchlin AG. Vor einigen Jahren wurde die «Maracaibo Clasificado 65 %» von Felchlin als beste Edelschokolade der Welt ausgezeichnet. Heute zählen Confiserien, Bäckereien, Patissiers, Gastro- und Industrieunternehmen sowie Hotels rund um den Globus zur Kundschaft des Schwyzer Unternehmens. Entsprechend hoch ist der Qualitätsanspruch.

 

Krankenversicherung für Kakaobauern

Zur Philosophie der Max Felchlin AG gehört auch, dass das Unternehmen regelmässig soziale Projekte in den Ursprungsländern des Kakaos realisiert. Ein Teil des Umsatzes der Max Felchlin AG wird auf ein dafür eingerichtetes Konto, den Cacaofonds, gebucht. Der Fonds wird für die Unterstützung von Schulen, zur Eindämmung der Landflucht sowie zur generellen Unterstützung von Menschen und Natur in den Kakao-​Ursprungsgebieten eingesetzt. Vergangenes Jahr startete Felchlin mit Unterstützung der Schweizer Plattform für nachhaltigen Kakao zum Beispiel das Projekt «Salama Mateza» in Madagaskar. Die Initiative ermöglicht 860 Bauern und Bäuerinnen mit ihren Familien Zugang zu einer Krankenversicherung. Seit Mai 2021 wurden für rund 3000 Versicherte (Kakaoproduzenten inklusive Familienmitgliedern) etwa 1300 Fälle abgewickelt. «Die häufigste Todesursache durch Krankheit in dieser Gegend ist eine zu späte Behandlung. Die Verzögerung geschieht meist aus Angst vor hohen Kosten», erklärt Moritz Runge. «Mit unserem Projekt können wir diese Hürde abbauen.» Das Projekt in Madagaskar etablierte sich so gut, dass Felchlin zusammen mit Partnern in Ghana bereits ein zweites Krankenversicherungsprojekt umsetzen konnte. Im November reist Moritz Runge nach Westafrika, um sich den Fortschritt vor Ort anzuschauen.

Den Nachhaltigkeitsgedanken lebt Felchlin aber nicht nur bei ihren Partnern in fernen Ländern, sondern auch im Schwyzer Talkessel. Noch bevor 1972 die 2. Säule gesetzlich eingeführt wurde, rief das Unternehmen eine eigene Stiftung für soziale Härtefälle unter den Mitarbeitenden ins Leben. Darüber hinaus schafft auch die Inhaberstruktur des Unternehmens Anreize für soziale Nachhaltigkeit: Die Stimmrechtsmehrheit liegt bei dem damals von Max Felchlin gegründeten Verein zur Förderung der Kultur und Wirtschaft des Kantons Schwyz. «Dessen Ziel ist die langfristige Sicherstellung des Standorts Schwyz und der Erhalt der Arbeitsplätze», erklärt Moritz Runge. Sehr gut möglich also, dass an der Gotthardstrasse 11 in Ibach noch lange ein feiner Schokoladenduft durch die Luft strömt.

Aus Mitarbeitenden Unternehmer machen

Dass die Mitarbeitenden der Schlüssel für eine erfolgreiche Unternehmensführung sind, hat auch die Trinova AG aus Wangen längst erkannt. «Wir haben keine Mitarbeitenden», sagt CEO Thomas Rüegge, «wir haben Unternehmer.» In diesem Satz steckt eigentlich schon alles, was man über nachhaltige Unternehmensführung wissen muss. Denn Unternehmerinnen und Unternehmer denken und handeln anders als Mitarbeitende. Sie agieren im Interesse der Firma und streben nach langfristigem Erfolg anstelle von schnellem Gewinn. Thomas Rüegge hat diese Prämisse in seinem Handelsbetrieb in der Futter- und Lebensmittelindustrie deshalb in Taten umgesetzt und Schlüsselpersonen beteiligt. Externe Aktionäre gibt es keine, interne sehr wohl.

Das setzt natürlich voraus, dass sich die Angestellten mit der Trinova identifizieren und ihr lange treu bleiben wollen. Der Sohn und designierte Nachfolger des heutigen Chefs, Kim Rüegge, fügt deshalb an: «Das Arbeitsklima steht bei uns an oberster Stelle.» Spätestens, als am Empfang zwei fröhliche Hunde hergerannt kommen, glaubt man dies aufs Wort. Die Work-Life-Balance hat in diesem Betrieb offensichtlich einen hohen Stellenwert.

 

Enzyme statt Antibiotika

Vorausschauend denken musste die Trinova AG bereits seit ihren Anfängen vor dreissig Jahren. Als Thomas Rüegge damals mit dem Handel von Zusätzen für Tierfutter begann, waren flächendeckend Antibiotika im Futter üblich. «Der Trend ging aber in eine andere Richtung, also suchten wir nach umsetzbaren Alternativen.» Enzyme, Säuremischungen, Milch- und Hefekulturen sowie Kräutermischungen waren die Antwort, um die Tiere auch ohne Antibiotika gesund zu halten.

Nach diesem Muster arbeiten die fünfzehn Mitarbeitenden oder eben «Unternehmerinnen und Unternehmer» der Trinova bis heute. Die Firma vertreibt in ganz Europa über 300 Inhaltsstoffe für die Futter- und Lebensmittelindustrie. «Wir suchen Lösungen für drängende Probleme», sagt Kim Rüegge. «Meist arbeiten wir deshalb heute an Projekten, die erst in einigen Jahren ausgereift sein werden.» Ein Beispiel dafür ist der Trend zum Veganismus. Milchpulver ist in vielen industriellen Produkten enthalten und aufgrund des eigenen Geschmacks schwierig zu ersetzen. Die Trinova AG hat in Cashewnüssen eine passende Alternative gefunden, die ähnliche Eigenschaften aufweist wie das tierische Pendant und nun in verschiedenen veganen Produkten zum Einsatz kommt.

 

Tierische Produkte verbessern

Gleichzeitig arbeitet die Trinova AG seit zwei Jahrzehnten an der Frage, wie auch die immer stärker kritisierten tierischen Produkte umweltfreundlicher werden können. Thomas Rüegge konnte beispielsweise nachweisen, dass die Beigabe von Leinsamen im Futter den Methanausstoss bei Kühen um bis zu zwanzig Prozent senkt. Die Leinsamen werden nach einem patentierten Prozess aufbereitet, was die gewünschte ökologische Wirkung mit sich bringt. Gleichzeitig fördert dies unsere Gesundheit, weil die daraus hergestellten Produkte wie Milch, Käse oder Joghurt dann wertvolle Omega-3-Fettsäuren enthalten. Trends vorwegzunehmen und die Früchte des Erfolgs erst lange nach dem Säen zu ernten, ist für die Familie Rüegge und das ganze Trinova-Team nichts Neues. Im Gegenteil: Nur dank einer geduldigen Unternehmensführung mit langfristigem Horizont steht das Unternehmen wirtschaftlich auf nachhaltigen Beinen.

Mann arbeitet in seinem Atelier an einer Skulptur

Genügsam und bescheiden

Apropos langfristiger Horizont: Im Kanton Schwyz gibt es wohl nicht viele Organisationen, die so lange existieren wie das Kloster Einsiedeln. Während seit einigen Jahren die ganze Welt von Nachhaltigkeit spricht, leben die Mönche hier schon seit über tausend Jahren nachhaltig. Die Basis für diese bewusste Lebensweise legen die benediktinischen Regeln des Zusammenlebens. Sie rücken Genügsamkeit, Bescheidenheit und Sorgfalt ins Zentrum des Alltags, um Raum für die Begegnung mit Gott zu schaffen. Wenig Ablenkung heisst auch wenig Materielles; Bescheidenheit zeigt sich unter anderem im einfachen – und damit oft vegetarischen – Essen. Das alles gehört selbstverständlich zur umweltfreundlichen Lebensweise im Kloster.

Die religiöse Herangehensweise hat auch sonst eine grosse Wirkung: Indem wir davon ausgehen, dass uns alles anvertraut wurde, uns also nichts gehört, fühlen wir uns den irdischen Sachen verbunden und verpflichtet. Oder, wie es Abt Urban Federer schmunzelnd ausführt: «Gott hat uns die Schöpfung anvertraut, damit wir uns für sie einsetzen. Zu geliehenen Sachen trägt man doch automatisch mehr Sorge!»

 

Restaurieren statt ersetzen

Im Kloster hat diese Sorgfalt eine lange Tradition. Heute noch beschäftigt die Institution zwei Dutzend Handwerker, die Bestehendes restaurieren und für die Nachwelt erhalten. So gibt es im Kloster nach wie vor eine Schneiderei, eine Buchbinderei und eine Steinhauerei. Der lange Horizont ist denn auch im Grundverständnis der Mönche verankert: Der Einzelne ist in einen grösseren Kontext eingebettet. Alles, was man tut, ist die Grundlage für weitere Generationen.

Insbesondere in Bezug auf das grosse Erbe des Klosters mit seinen Liegenschaften, Wäldern und Naturschutzgebieten wie der Insel Ufnau ist das keine leichte Aufgabe. Mit seiner Grundhaltung hat das Kloster Einsiedeln aber tatsächlich manche ökologisch richtige Entscheidung gefällt. Bereits in den 1980er-Jahren half die installierte Holzschnitzelheizung, die über tausend klösterlichen Räume warm zu halten. Dafür nutzten die Mönche Holz aus ihren eigenen Wäldern. Die Waldbewirtschaftung hat das Kloster Einsiedeln vor zehn Jahren in die professionellen Hände der Oberallmeindkorporation (OAK) gelegt. Sie soll den vorbildlichen Umgang, für den das Kloster 2011 den Binding Waldpreis erhielt, fortsetzen. Ergänzend dazu produziert eine Fotovoltaikanlage Strom, die dezentrale Wasseraufbereitung reduziert Wege, und das sukzessive Ersetzen der Fenster dämmt die Gebäude. Seit einigen Jahren versorgt das Kloster über ein Fernwärmenetz zudem einen Teil des Dorfs mit Wärme. Trotz – oder vielleicht gerade aufgrund – all dieser Bestrebungen beschäftigen der Klimawandel und die ökologischen Herausforderungen unserer Zeit die Mönche im Kloster Einsiedeln heute eingehend. Und das ist gut so, soll doch deren Erhalt noch für weitere tausend Jahre gesichert sein.

(Dieser Artikel ist in der Ausgabe 02/2022 unseres KMU-Magazins FOKUS erschienen. Das Magazin erscheint zweimal jährlich und richtet sich speziell an Gewerbetreibende sowie Firmen und vereint aktuelle Themen, Firmenportraits, Erfolgsgeschichten oder auch Serviceleistungen.)

Über 1000 Jahre Nachhaltigkeit

Das Kloster Einsiedeln wurde im Jahr 934 nach dem Vorbild des heiligen Benedikt gegründet. Als Baumaterial für den barocken Neubau im 18. Jahrhundert nutzte man Etzelsandstein, Lehm und Holz, was in unmittelbarer Nähe reichlich vorhanden war. Für die Pflästerung des Klosterplatzes dienten Flusskiesel. Während vieler Jahre versorgten sich die Mönche im Kloster fast ausschliesslich selbst: Es gab einen grossen Garten, eine Küche, eine Mühle, eine eigene Bäckerei sowie eine Metzgerei. Food Waste kannte man noch nicht, da Reste den Schweinen verfüttert wurden. Einzig Salz und Getreide mussten die Mönche einkaufen. Mittlerweile ist die klösterliche Selbstversorgung fast gänzlich verschwunden, bis auf etwas Gemüseanbau im Garten und natürlich den Wein der Klosterkellerei.