Nicht billiger, sondern besser
Die Wilhelm Schmidlin AG aus Oberarth bekennt sich seit über 75 Jahren zum Produktionsstandort Schweiz. Damit dies auch in Zukunft möglich ist, investiert der Traditionsbetrieb viel in die kontinuierliche Optimierung seiner Prozesse.
Wer schon einmal ein Auto, ein Bett oder auch nur die neuste Version eines Smartphones erwarb, musste womöglich wochen- oder gar monatelang auf seine Bestellung warten. Auf den ersten Blick leuchtet es ja auch ein: Materialien müssen beschafft, Produkte produziert, Sonderwünsche erfüllt werden – das alles kostet Geld und eben auch Zeit. Dass es auch anders geht, beweist die Wilhelm Schmidlin AG aus Oberarth. Egal, ob Badewanne, Duschfläche oder Waschbecken: Kurze Lieferfristen sind beim Familienbetrieb Programm. Auf die Produkte aus der «Vario»-Linie garantiert Schmidlin sogar eine Lieferfrist von zehn Arbeitstagen. Wer bereit ist, für die «Subito-Zustellung» einen Aufpreis zu bezahlen, kann sich schon nach vier Tagen auf ein entspannendes Bad freuen.
Kaizen-Methode perfektioniert
Wie das möglich ist, erklärt Inhaber und Co-Geschäftsführer Beat Wullschleger bei einem Gespräch in Oberarth. Das Sitzungszimmer heisst Mythen, «Mount Fuji» hätte jedoch auch gepasst. Das Unternehmen, das vergangenes Jahr seinen 75. Geburtstag feierte, orientiert sich nämlich konsequent an der japanischen Kaizen-Philosophie. Der Begriff bedeutet so viel wie «Veränderung zum Besseren». Diese Überzeugung haben Beat Wullschleger und sein Bruder Urs – auch er Mitinhaber und Co-Geschäftsführer – in den vergangenen zwölf Jahren perfektioniert. In Anlehnung an das Lean-Management-Verfahren, das direkt mit Kaizen zusammenhängt, hat die Wilhelm Schmidlin AG 2011 die Firmenphilosophie «SchmidLEAN» entwickelt. Seither ist das Unternehmen kontinuierlich daran, seine Geschäftsprozesse zu verbessern und zu verfeinern. «Hierbei sind nicht nur die Geschäftsführung und die Bereichsleiter involviert, sondern die gesamte Belegschaft», erklärt Beat Wullschleger.
Die Kraft der kleinen Schritte
Konkret bedeutet dies, dass in Oberarth regelmässig der Betrieb mehr oder weniger stillsteht. «Alle zwei Wochen ist ein ganzer Tag für Prozessoptimierungen reserviert», betont Wullschleger. An diesem Tag werden in kleinen Teams die Abläufe durchleuchtet und verbessert. Der Hauptfokus liegt dabei auf der Verkürzung der Durchlaufzeit im ganzen Prozess von der Bestellungserfassung bis zur Auslieferung. Ein Schlüsselfaktor ist hierbei die Rüstzeit – also die Zeit, welche die Mitarbeitenden brauchen, um die Maschinen zu konfigurieren und die Materialien an den richtigen Ort zu bringen. «Unsere Rüstzeiten bei diversen Arbeitsschritten haben sich über die letzten Jahre markant verkürzt», freut sich Beat Wullschleger. «Die dadurch erheblich verkürzten Durchlaufzeiten haben zur Folge, dass wir deutlich schneller ausliefern können.»
Laut Beat Wullschleger konnten in den vergangenen Jahren bereits Tausende Verbesserungen umgesetzt werden. «Häufig handelt es sich dabei um kleine, aber einflussreiche Änderungen.» Unnötige Prozessschritte werden genauso angegangen wie ineffizienter Wissenstransfer oder überflüssige Wege innerhalb der Produktion. Nicht selten wird auch direkt bei den Maschinen Hand angelegt. «Schon mit kleinen Kniffen können wir manchmal wertvolle Minuten einsparen», sagt Beat Wullschleger. Und: «Ältere Maschinen eignen sich übrigens häufig besser für Prozessoptimierungen als neue Gerätschaften, die meist automatisch laufen.»
Mehr Abwechslung, mehr Motivation
Optimiert wurden aber nicht nur einzelne Prozesse, sondern auch das Arbeitsumfeld an sich: Während die Mitarbeitenden in der Produktion früher nur wiederkehrende Handgriffe in einem einzigen Prozessabschnitt ausübten, wechseln sie heute mehrmals täglich ihre Tätigkeitsbereiche. «Ein Mitarbeiter, der früher ausschliesslich an einer Maschine tätig war, kann heute auch an anderen Arbeitsplätzen arbeiten.» Dies bringt laut dem Geschäftsführer gleich mehrere Vorteile mit sich: «Die Abwechslung wirkt sich positiv auf die Motivation der Mitarbeitenden aus. Gleichzeitig wird unser Produktionsprozess dadurch flexibler.» Denn: Je mehr Leute verschiedene Prozessschritte beherrschen, desto vielfältiger sind sie einsetzbar. «Das kommt uns auch im Fall von ferien- oder krankheitsbedingten Abwesenheiten zugute.»
Mitarbeitende nicht abbauen, sondern mitnehmen
Wie Beat Wullschleger mehrmals betont, geht es bei SchmidLEAN aber längst nicht nur um Effizienzsteigerung. Und auch nicht um die Senkung von Produktions- oder Personalkosten. Das Unternehmen will schneller und besser werden, nicht billiger. «Wir wollen nicht Mitarbeitende abbauen, sondern gemeinsam mit ihnen noch produktiver und erfolgreicher werden.» Das ist ja auch sinnvoll: «Wäre es unser Ziel, Personal abzubauen, hätte dieses keinen Anreiz, sich für effizientere Prozesse zu engagieren.» Genau das aber sei entscheidend, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Obwohl die Kosten also nicht im Vordergrund stehen, geht die Rechnung für Schmidlin auf. Das Unternehmen liefert heute seine Produkte unter anderem nach Österreich, in die USA und bis nach Australien. In Zukunft will die Firma weiter natürlich wachsen und neue Märkte erschliessen – und dabei zugleich immer besser werden. Wer nun nämlich denkt, dass es irgendwann doch sicher nichts mehr zu optimieren gebe, der irrt sich. Und zwar gewaltig, wie Beat Wullschleger betont: «Je mehr Verbesserungen wir erreichen, desto mehr neue Themen kommen hinzu.»
Übrigens: Zumindest ein Stück weit hat sich Beat Wullschleger das «Optimieren von Prozessen» zur Lebensaufgabe gemacht. So achtet er zum Beispiel darauf, dass die Milch, die Butter und das Gemüse im Kühlschrank immer am gleichen Ort aufbewahrt werden. Und natürlich hat auch im eigenen Gartenhäuschen jedes Werkzeug seinen Platz. Auch wenn er bei seiner Frau bisweilen etwas Überzeugungsarbeit leisten müsse, lässt sich Beat Wullschleger nicht von seinem Vorhaben abbringen. Lachend sagt er: «Ob zu Hause oder im Betrieb: Es gibt unendlich viel Optimierungspotenzial!»
1947 begann Wilhelm Schmidlin in einer Schmiede in Oberarth, Badewannen aus Stahl herzustellen. Aus dem Einmannbetrieb entwickelte sich im Laufe der Jahre ein stolzes Unternehmen mit rund 100 Mitarbeitenden und einer Strahlkraft weit über den Kanton Schwyz hinaus.
Seit 2007 liegen die Geschicke der Wilhelm Schmidlin AG in den Händen von Beat und Urs Wullschleger, die seit 2011 auch Eigentümer in dritter Generation sind. Am Produktionsstandort in Oberarth werden heute nebst Badewannen, Whirl- und Duschwannen auch Duschflächen, Waschbecken, Urinale für private und öffentliche Bäder sowie Küchenrückwände und White- und Blackboards aus glasiertem Titanstahl hergestellt.
Um die SchmidLEAN-Philosophie auch externen Firmen und Besuchern zugänglich zu machen, führt das Unternehmen jeweils im Frühjahr und im Herbst einen halbtägigen Workshop in Oberarth durch.