Die Schweiz sieht rot
Das Thema Carsharing ist in der Schweiz eng mit einem Namen verbunden: Mobility. Dass das Unternehmen auch 26 Jahre nach seiner Gründung noch immer erfolgreich unterwegs ist, liegt nicht zuletzt an der ungebrochenen Innovationslust.
Wer sich mit der Geschichte von Mobility befasst, kommt nicht darum herum, das Rad der Zeit für einen Moment zurückzudrehen. Während das erste geteilte Auto – ein knallroter Opel Kadett – vor 36 Jahren nur von ein paar Enthusiasten genutzt wurde, schlossen sich mit jedem Jahr mehr Menschen der Genossenschaft an. Letztere entstand 1997 aus der Fusion zwischen der AutoTeilet Genossenschaft und der Zürcher ShareCom. Und natürlich: Wie viele Start-ups war auch Mobility mit diversen Herausforderungen konfrontiert. So wurden laut Erzählungen des Gründervaters Conrad Wagner zu Beginn immer wieder Fahrzeuge gestohlen. Erst mit der Entwicklung der elektronischen Zugangskontrolle konnte dem Treiben ein Ende gesetzt werden. «Heute sind Diebstähle zum Glück sehr selten geworden», sagt Luisa D’Amato und lacht. Die 48-Jährige trägt seit 2018 die operative Verantwortung bei der Mobility-Genossenschaft. Natürlich kennt auch sie die Geschichten aus der Anfangszeit.
Immer wieder Neues ausprobieren
Mittlerweile zählt Mobility über 260 000 Kundinnen und Kunden und 1570 Standorte. Nebst den privaten Nutzenden nimmt auch die Geschäftskundschaft zu. «Viele unserer Businesskunden haben sich von einer eigenen Flotte verabschiedet und setzen auf das nachhaltige Carsharing», freut sich D’Amato. Allein im vergangenen Jahr seien rund 150 Firmen dazugekommen.
Wer Luisa D’Amato in Rotkreuz besucht, der spürt rasch, dass ihr Herz für die geteilte Mobilität schlägt: «Mobility ist ein faszinierendes Unternehmen. Denn hier wird – trotz KMU-Grösse und nur rund 250 Mitarbeitenden – sehr viel Innovation vorangetrieben.» Die Leiterin Operations nennt Begriffe wie Freefloating, Roller- Sharing oder One-Way-Fahrten. Alles Projekte, die in den vergangenen Jahren in die Tat umgesetzt wurden. «Manche Ideen setzen sich durch, andere lassen wir wieder fallen. Wichtig ist, dass wir keine Angst vor dem Scheitern haben und immer wieder Neues ausprobieren.» Als aktuelle Beispiele nennt sie das Projekt «V2X Suisse» sowie das Ridesharing-Angebot i&any. Letzteres wurde von April bis Ende Oktober 2023 von Donnerstag bis Samstag zwischen 18 und 4 Uhr früh in Zürich angeboten. Die Idee: Menschen, die abends und nachts in Zürich unterwegs sind, bestellen via App den elektrisch betriebenen Fahrservice, der unterwegs weitere Passagiere mit ähnlichem Ziel mitnimmt.
Die Innovationslust kommt nicht von ungefähr. «Sie liegt in unserer DNA. Ohne sie wären wir nicht da, wo wir sind», betont D’Amato. Auch in Zukunft sei Mobility gefordert, zukunftsträchtige Ideen zu testen – dies mit dem Ziel, in zwanzig Jahren immer noch erfolgreich unterwegs zu sein. Zu diesem Zweck hat das Unternehmen ein eigenes Innovationsteam ins Leben gerufen, das weltweit Trends sondiert und daraus neue Ideen entwickelt.
Mit Drive und Innovationslust: Geschäftsleitungsmitglied Luisa D`Amato und die Mobility-Genossenschaft treiben die Antriebswende voran.
Hochgesteckte Ziele
Zu Beginn dieses Jahrzehnts setzte sich die Genossenschaft das nächste grosse Ziel: Bis 2030 will Mobility seine gesamte Flotte – also rund 3000 Autos – elektrifizieren. «Die Herausforderungen liegen hauptsächlich im Aufbau der Ladeinfrastruktur», sagt D’Amato. Nebst den technischen Anpassungen müssen beispielsweise mit Hunderten Parkplatzvermietern Verhandlungen geführt werden; hinzu kommen viele komplizierte Bewilligungsverfahren. «Die Politik sollte diesbezüglich bessere Rahmenbedingungen schaffen», fordert D’Amato. An den gesteckten Zielen zweifelt sie indes nicht. Die Umstellung auf die E-Flotte sei «alternativlos auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Mobilität».
Es gibt viel Potenzial – auch im Kanton Schwyz
Für Luisa D’Amato steht fest: «Die geteilte Mobilität spielt heute eine wichtige Rolle, um die Mobilitäts- und Klimawende zu schaffen.» Und jetzt kommt sie in Fahrt: Sie spricht von weniger Staus, mehr Platz in den Städten, weniger Emissionen – sowie einer «preiswerteren Form der Mobilität». «Hinzu kommt, dass ein Mobility-Auto durchschnittlich elf Privatautos ersetzt», so D’Amato. Argumente für Carsharing gibt es somit genug, und trotzdem wird das Angebot im Gesamtkontext nach wie vor wenig genutzt. Der Anteil geteilter Fahrzeuge liegt in der Schweiz bei rund 0.1 Prozent. Im Vergleich zum urbanen Raum ist die Nachfrage nach den roten Mobility-Autos in ländlichen Gebieten schwächer.
«Im Kanton Schwyz sind wir mit rund 4500 Kundinnen und Kunden sowie 21 Fahrzeugen an 12 Standorten präsent, was für einen Kanton mit einer eher dezentralen Topografie durchaus positiv ist», sagt Luisa D’Amato. Insbesondere der B2B-Bereich sei im Kanton Schwyz entwicklungsfähig, so die Leiterin Operations. «Zusätzliche Geschäftskunden könnten wesentlich dazu beitragen, die nachhaltige Mobilität in der Region zu fördern. In ländlichen und/oder dezentralen Regionen verfolgt Mobility überdies einen etwas anderen Ansatz als in den Städten. «Im ländlichen Raum hat Carsharing vor allem das Potenzial, als Ersatz für ein Zweitauto zu dienen.» Zusammen mit anderen Mitgliedern des Branchenverbands CHACOMO hat sich Mobility das Ziel gesetzt, dass in der Schweiz bis 2030 eine Million Menschen Carsharing nutzen. «Es gibt noch viel Potenzial», betont Luisa D’Amato. An Innovationen der Carsharing-Pioniere aus Rotkreuz dürfte es deshalb auch in Zukunft nicht fehlen.
Elektroautos, die nicht gefahren werden, sollen bei Bedarf Strom ins Netz zurückspeisen. Künftig könnten so Schwankungen im Netz ausgeglichen werden. Dass dies technisch möglich ist, bewies kürzlich das Pilotprojekt «V2X Suisse» unter der Leitung von Mobility. Projektleiter Marco Piffaretti ist überzeugt vom Potenzial der bidirektionalen Ladetechnologie. «Ein Privatauto steht im Durchschnitt bis zu 23 Stunden an Ort und Stelle. Dank der V2X-Technologie werden die ‹Stehzeuge› zu mobilen Powerbanks, die sich zu einem grossen Energiespeicher zusammenschliessen lassen.»