Die Natur ruft
Ein eigener Platz in der freien Natur – das verspricht Nomady. Das Jungunternehmen aus Einsiedeln denkt Tourismus neu.
Nomady ist ein bald vierjähriges Kind, geboren im tiefsten Alaska, im Kopf des Einsiedlers Oliver Huber. Mit Blick auf den Fluss Noatak und die unglaublichen Weiten, zwei Monate unterwegs als Selbstversorger und ohne jeglichen Komfort – dafür mit aller Freiheit der Welt – setzten sich seine Synapsen zu einem grossen Ganzen zusammen. Aus einer Idee, die schon länger gereift war, wurde ein Entschluss. «Am ersten Arbeitstag nach meiner einmonatigen Auszeit kündigte ich meinen Job bei der SZKB», erzählt Oliver Huber. Die Vision lässt sich wie alle guten Ideen in wenigen Worten erklären: ein digitaler Marktplatz, auf dem Outdoorfans einen exklusiven Campingplatz in der unberührten Natur finden.
Mit den Wanderschuhen auf Akquise
Dieses Gefühl, das Oliver Huber aus Alaska nach Hause genommen hatte, wollte er anderen ermöglichen. Die Gäste sollten die Kraft der Natur spüren, merken, wie viel einem das Einfache geben kann und so den Bezug zu ihrer Umwelt wiederfinden. Der Tourismusbranche wollte er gleichzeitig neue Wege aufzeigen, wie sich auch abseits der Massen Wertschöpfung generieren lässt. Ab Tag 1 nahm Oliver also seine Wanderschuhe, erkundete die Umgebung und klopfte bei Landwirten an besonders schönen Ecken an die Tür. Parallel dazu holte er seinen Schwager Paolo De Caro als Mitgründer ins Boot. Ein paar Monate später stand ein Prototyp der Website, und eine Handvoll Landwirte stellten ihr Land fürs Individualcamping zur Verfügung. Alles begann langsam zu wachsen, auch die ersten Investoren zeigten Interesse. «Doch dann kam die Pandemie», erinnert sich der Gründer, «die alles veränderte.» Lockdown und landesweite Unsicherheit sind nicht gerade das, was man sich als guten Start-up-Vibe vorstellt.
Pandemie als Tiefpunkt und Meilenstein
Die verordneten Kontaktverbote machten es schwierig, neue Standorte zu finden; bereits versprochene Gelder fielen ersatzlos ins Wasser. Das Zeitfenster von zwei Jahren, das sich Oliver Huber eingeräumt hatte und auch finanziell ohne Einkommen leisten konnte, rückte dem Ende entgegen. «Ich überlegte mir wirklich für einen Moment, ob ich nicht doch wieder die eine oder andere Bewerbung versenden solle.» Auf der anderen Seite ging die Nachfrage vonseiten der Gäste, die ihr Glück abseits aller pandemischen Schwierigkeiten suchten, gerade durch die Decke. Die Camps waren ausgebucht, die Nutzerinnen und Nutzer begeistert. Sogar die anfangs teils eher skeptischen Landwirte erkannten: Das ist ein interessanter Zusatzverdienst.
Also warfen die beiden Gründer noch einmal alles in die Waagschale und versuchten, die Durststrecke zu überwinden. Das Ergebnis lässt sich – schon heute – sehen. Über 600 Orte in der Natur vermittelt Nomady auf seiner Plattform, allein in der vergangenen Saison verzeichnete das Unternehmen rund 60 000 Logiernächte. Der «Ausbaustandard» der Camps ist dabei unterschiedlich. Die Gastgeberinnen und Gastgeber stellen von Grillstellen und Picknicktischen über ein WC bis hin zum Zmorgebuffet mal mehr, mal weniger Services zur Verfügung. Sie bestimmen ihren Preis übrigens selbst. Eine Nacht im Naturcamp kostet mehrheitlich zwischen 40 und 75 Franken.
Expansion nach Europa
Das Kleinkind wird also selbstständiger, im kleineren Rahmen wäre Nomady mittlerweile bereits selbsttragend. Doch das Jungunternehmen strebt nach mehr, beginnt sich nach dem Aufbau in der Schweiz auch für die Nachbarländer zu öffnen. In einem ersten Schritt möchte Nomady die Alpenregion erschliessen. «Diese Internationalisierung braucht wie zu Beginn in der Schweiz viel persönlichen Einsatz. Wir müssen vor Ort präsent sein und unser Modell erklären», sagt Huber.
Er selbst ist mittlerweile öfter in Sneakers als Wanderschuhen unterwegs. Als Geschäftsführer mit zehn Mitarbeitenden und Präsident des Verwaltungsrats mit den Investoren (siehe Box) hat die Realität die anfängliche Romantik abgelöst. Spass macht es Oliver Huber und seinem Team trotzdem noch – und im Kopf sprudeln die Ideen weiter. Ganz wie der alaskische Noatak, wo vor nicht allzu langer Zeit alles zu fliessen begann.